Małgorzata Chodakowska, Lothar Sprenger
FotoSkulptur | Ausstellung vom 26. April - 4. Juni 2015

Impressionen der Vernissage

Sonntag, 26. April 2014, 17.00 Uhr
Einführung: Prof. Dr. Harald Marx
Musik:
Jan Heinke, Obertongesang

Laudatio von Prof. Dr. Harald Marx

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Malgorzata,
lieber Lothar Sprenger,

der französische surrealistische Maler René Magritte hat im Jahre 1929 ein Gemälde ausgestellt, hat es dann in vielen Varianten entwickelt, auf dem eine Tabakspfeife abgebildet ist.

Das Bild beherrschend, nur diese Tabakspfeife.

Aber unübersehbar und bedeutsam hat der Künstler auf jedes dieser immer gleichen und immer ein wenig anders aufgefassten Bilder geschrieben: ceci n’est pas une Pipe. Das ist keine Tabakspfeife.

Was er meinte ist klar – und jeder hier im Raum kennt das Bild - und weiß es:

Das gemalte Bild einer Tabakspfeife ist nicht - die Pfeife selbst. ceci n’est pas une Pipe.

Lothar Sprenger zeigt Fotografien von Skulpturen, die Małgorzata Chodakowska geschaffen hat.

Aber: René Magritte erinnert uns daran: wenn Wirklichkeit im Kunstwerk gespiegelt wird, dann ist diese Wirklichkeit bewusst oder unbewusst vom Künstler verändert und interpretiert, also - gespiegelt im Kunstwerk.

Die Figuren von Małgorzata Chodakowska sind - nicht selten - etwa lebensgroß, Holzfiguren mit leicht genarbten Oberflächen, lasierend mit Farbe behandelt, oder - Abgüsse von solchen Figuren in Bronze.

Wir begegnen ihnen hier, diesen idealen, manchmal mondänen, ganz heutigen, dann wieder an Vergangenheit orientierten Figuren vor allem in Fotografien:

Der Betrachter steht – vor den flächigen Abbildern, und fühlt sich doch – inmitten der Skulpturen, tritt mit ihnen ins Zwiegespräch – oder, körperlich - sogar mit ihnen in Konkurrenz.

Beim Betrachten der Fotografien von Lothar Sprenger, die hier ausgestellt sind, musste ich an das Bild von René Magritte und an seine Aufschrift denken.

Denn: Unter jeder von diesen Fotografien könnte der Titel stehen: ceci n’est pas une sculpture.   Wie ist das aber, wenn ein Künstler, in diesem Falle ein Fotograf, Kunstwerke abbildet.

Wenn er Kunst in Kunst reflektiert, wenn er von Körper und Raum zur Abbildung von Körper und Raum kommt, also auf der Fläche in Foto-Kunstwerken abbildet, was selbst und allein, was an - und - für sich schon Kunst ist.

Er, Lothar Sprenger, zeigt sie, die Skulpturen, gesehen mit seinen Augen,

zwar - einerseits treulich dokumentiert, andererseits aber so ins Bild, also ins Foto gesetzt, wie er sie erlebt, wie er sie empfunden hat:

Małgorzata Chodakowska, gelingt es, das Abbild des Menschen über den Alltag zu erheben: Beseelung und Entrückung der Figur, das ist eine Aufgabe, der sie sich stellt.

Wir fühlen uns manchmal erinnert an Kunst aus längst vergangenen Epochen, an die im Stein gefangenen Figuren des alten Ägypten, an Dürers Kupferstich mit dem Titel „Frauenbad“, an Jugendstil und Kunst der 1920er Jahre.

Aber alles ist dann doch – bezogen auf unsere Zeit:

Ausgehend vom realen Modell schafft sie - Figuren, die über das Individuelle hinaus verallgemeinert erscheinen, die dadurch vielleicht auch allgemeiner verständlich werden.

Vor allem Maler haben die folgende Szene immer wieder dargestellt:

Pygmalion, Bildhauer und König von Kypros, fasste, nach Ovids Darstellung, eine glühende Leidenschaft zu der Statue einer ideal-schönen, einer überwältigend schönen jungen Frau. Er verliebte sich in diese Statue, die er selbst geschaffen hatte.

Aphrodite belebte sie, auf sein Bitten, und - er nahm sie zur Gemahlin.

Die hier ausgestellten Skulpturen – und ihre fotografischen Abbilder –

(vor allem sind es – verstörende Frauenbilder,)

haben eine besondere erotische Ausstrahlung: Wir werden hinein gezogen - in ein Spiel - von - Andeutung und Versprechen, von Verführung und Entsagung, von Form und Farbe.

Als Betrachter stellt man sich Fragen: Was hat es auf sich mit dem Gold? und mit der weißen Lasur? Denn …

Das Material spricht immer mit, die lasierende Farbe deutet an – und die Form wird gesteigert und magisch aufgeladen durch das Gold. Gesteigert in ihrer Ausstrahlung, in ihrer Lebensnähe, und manchmal in ihrer Entrücktheit und Ferne;

und: diese Wirkung findet sich nochmals gesteigert durch die Fotografien von Lothar Sprenger.

Aus Körpern im Raum werden unberührbare, gleichsam entrückte Abbilder von Körpern im Raum.

Der Fotograph hat für uns bestimmte Blicke ausgewählt, er hat bestimmt, wie wir die Bildwerke sehen sollen.

Auf ihn geht die Beleuchtung zurück, die Farbe des Hintergrunds, nämlich: zumeist - ein neutrales und doch geheimnisvolles Schwarz.

Ein Schwarz, das zur Tiefe wird,

Er, der Fotograf, hat entschieden, ob wir ein Detail sehen, oder die ganze Figur – und wie die Farbstimmung ist, und die Lichtstimmung.

Das Bild beherrschend stehen, knien, tanzen die Figuren, konzentriert auf sich selbst, auf die eigene Existenz, herausgelöst aus jedem Zusammenhang.

Lothar Sprenger zeigt uns sein Erlebnis von plastischen Kunstwerken - und fordert uns - gleichsam auf, seine Einfühlung in diese Werke anzunehmen, ihm zu folgen, ihm zu vertrauen:

Aber: Vergessen wir nicht: Kunst erlaubt nicht nur den eigenen Blick: Kunst erfordert ihn.

Wir erleben die Figuren im Foto – und: Die Fotografien selbst erleben wir als Kunst.

Sie vermitteln - tatsächlich etwas von dem, was auch die Bildwerke vermitteln, zeigen die Suche, ja, das unbeirrte Streben nach Schönheit und nach Harmonie.

Manche der Figuren erscheinen uns nackt - und bekleidet zugleich. Diesen: Gegensatz – und Effekt kannten schon die alten Griechen.

Feinster Stoff, wie in Wasser getaucht, als Gewand an die Körper geschmiegt, mehr die Formen betonend, als verhüllend.

Und: In jedem Blick aus diesen fast immer malerisch behandelten, farbigen, offenen Augen der Skulpturen, die uns hier zumeist im Foto gegenüber stehen, begegnet uns - das Rätselhafte im Sein.

Denn die lebensgroßen Kunst-Wesen wirken - selbst im Foto, wie Boten aus tiefster Vergangenheit - und fremder Kultur.

Nähe zum Menschen und Ferne zugleich, Ferne zum Alltäglichen, zum allseits Bekannten und Vorhersehbaren.

Lothar Sprenger fotografiert die Skulpturen von Małgorzata Chodakowska,

Es ist - makellose Schönheit die er abbildet und erleben lässt, eine Schönheit, die außerhalb der Zeit zu stehen scheint.

Er zeigt einen Zustand, den man als - unveränderlich auffassen soll.

Den Tanz als Pose. Erstarrte Bewegung, die nicht geschieht.

Aber – wir spüren sie, diese Bewegung als Verlockung, wie die Versuchung zum ersten Schritt, der nie - gegangen wird.

Wir bewegen uns in einem Reich der Kunst und in einem Kunst-Reich zugleich.

Bekannt geworden ist Lothar Sprenger jedoch durch ganz andere Foto-Serien,

mit Bild-Folgen zum Zustand unserer Stadt, einem Zustand, der sich stetig verändert: tagtäglich. -

Schon mindestens - seit - 1991 beschäftigt er sich mit Stadtlandschaften.

Die Dresdner Neustadt mit ihrer Gründerzeit-Architektur war ihm ein bevorzugtes Motiv – (aber natürlich nicht das einzige.)

und bereits 2005 ist das Buch erschienen: Dresden – eine vergleichende Zeitreise. Gemeinsam mit Volker Helas und Ralf Kukula.

Er suchte – und sucht – Häuser und Straßenzüge, denen man ihre Geschichte ansieht.

Er befragt eine Vergangenheit, die in der DDR – unsere - Gegenwart gewesen ist.

Lothar Sprenger stammt aus Dresden, hier wurde er 1959 geboren, hat Werkzeugmacher gelernt, hat dann an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studiert -

und 1988 hat er in der Fachrichtung Fotografie sein Diplom bei Evelyn Richter gemacht.

Man sollte sich diese andere Seite im fotografischen Schaffen von Lothar Sprenger bewusst machen, wenn man hier seine Fotos von Skulpturen betrachtet die unberührbar schön erscheinen – – angesiedelt in einem Traumland der Kunst – und die - gerade dadurch doch – auch - an Vergänglichkeit gemahnen.

Die Bildhauerin Małgorzata Chodakowska begeistert sich an - verführerisch schönen Frauenfiguren, schafft Skulpturen, die sie aus dem Material entwickelt. Ausgehauen aus dem Stamm eines Baumes, Schritt für Schritt immer feiner bearbeitet, gewinnen die Stämme neues, ja, ein geradezu zeitloses Leben durch diese Arbeit.

Lebensgroße Figuren aus Holz, manchmal in Bronze gegossen, wie die beiden Beispiele, hier in der Ausstellung, entstanden - am Elbhang in Pillnitz bei Dresden, in einem Atelier am Weinberg – mit  dem weiten Blick über das Tal.

Von diesem entrückten Ort ihrer Entstehung sind die Figuren genauso geprägt, wie von der Herkunft der Künstlerin und von ihrer Ausbildung:

Geboren wurde Małgorzata Chodakowska 1965 in Lódz in Polen. Sie studierte in Warschau und in Wien – und seit 1991 lebt und arbeitet sie freischaffend in Dresden.

Sie ist die Frau von Klaus Zimmerling, der das Weingut bewirtschaftet und der die großen Stämme mit der Kettensäge für sie ins Format bringt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Kunst als Geheimnis zu verstehen, als Traumbild oder Wunschbild, dazu fühlen wir uns aufgefordert.

Lassen Sie uns, jeder für sich, den eigenen Zugang suchen, zu den ausgestellten Werken, den Fotos und den Skulpturen,

den persönlichen Zugang zu den Fotografien von Lothar Sprenger und zu den Skulpturen von Małgorzata Chodakowska.

Ich wünsche den beiden Künstlern allen verdienten Erfolg.

und ihnen danke ich für ihre Aufmerksamkeit.