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Der gelernte Drucker André Uhlig, der die Ausbildung seines künstlerischen Talentes in erster Linie Dieter Beirich verdankt, ist auch im freien Schaffen zunächst der Grafik verbunden. Selbst seine Aquarelle und Mischtechniken zeigten diese Herkunft, wiewohl Radierung und Vierfarb-Offsetdruck weder verwandt noch verschwägert sind.
In den letzten Jahren aber – und auch das zeigt die Ausstellung – hat sich seine Palette deutlich erweitert. Waren es zunächst mehr kaffee-getragene Herbst- und Erdtöne, scheint nun der Mut zur Farbe in ihm erwacht. Nicht immer also führt wachsende Reife zu größerer Strenge, manchmal, und das ist das Schöne, erweitert und vervollkommnet sie auch vorhandene Möglichkeiten.
Thomas Gerlach
Als Vorzugsgrafik ist während der Ausstellung eine Reservage in limitierter Auflage erhältlich.
Ausstellungsrundgang und Gespräch mit André Uhlig
am Samstag, den 14. März 2020 von 15.00 - 16.00 Uhr
Worte: | Thomas Gerlach sprach zu Künstler und Werk |
Musik: | Klaus Beirich spielte Gundermann-Lieder |
Vielleicht können wir uns das so vorstellen:
Der Linie hingegeben oder der Fläche, ihr dabei mehr und mehr Kontur gebend, lauscht der Maler, übers Blatt gebeugt oder über die Kupferplatte, eigenen Gedanken nach. Hin und wieder gleitet ein vergleichender Blick zum Skizzenbuch hinüber, das die Wandereindrücke der letzten Jahre konserviert.
Zugleich nimmt er die Geräusche wahr, die vom Alltag der Straße durchs Fenster auf ihn eindringen. Vertrautes, wie das Klappern des Rollators der Nachbarin auf dem holpriger Gehwegpflaster (er kann die Uhr danach stellen) oder das Stimmengewirr der Schulkinder, die noch einmal lautstark ihre Heldentaten ausposaunen, um sie dann bis nach Hause gründlich zu vergessen, ist ebenso dabei wie Neues, die suchenden Schritte eines Urlaubers etwa, der die Adresse vergessen hat, oder das zögernde Nahen eines Interessenten.
André Uhlig, der Maler, der Grafiker, liebt diese, wie er sagt, Welten, die so ganz unterschiedlich, ja, gegensätzlich sein können und doch einen Zusammenklang ergeben. Er spielt mit diesen Welten, wie er mit den Motiven spielt, die ihn immer wieder zu neuen Bildern drängen. Das heimische Elbtal ist nicht wegzudenken aus seinem Oevre, das Elbufer bei Serkowitz etwa, wo André zwischen alten Weiden seine Kindheit verträumte. Das herrliche Panorama der sich nach Süden öffnenden Weinhänge des Oberen Elbtals, die er dutzendfach schon bei tausend Lichtern immer wieder neu in seinen inzwischen nach Metern sich messenden Tage- und Skizzenbüchern festgehalten hat. Er durchwandert sie ebenso gern wie das böhmische Becken. Dort aber findet er noch die scheinbare Unberührtheit der Landschaft, die er hierzulande seit mehr als dreißig Jahren vergeblich sucht: Malerische Dörfchen, die, seit Urvätertagen in sanfte Täler geschmiegt, mit ihren roten Dächern zum Bestandteil der Natur geworden sind.
Eine ganz eigene Erlebniswelt bietet der Dresdner Frauenkirchen-barock mit seinem Turm- und Brückenpanorama, dem die Blaue Stunde der Batzdorfer Romantik in nichts nachsteht. Freilich bleibt der Künstler nicht im Elbtal kleben. Von seinen zahlreichen Reisen zeugen diesmal bildgewordene Gerüche Indiens, jenes Subkontinents, von dem der Maler einfach nicht lassen kann.
So hat auch diese Ausstellung Andrés wieder Anklänge an einen Wanderführer oder ein Reisetagebuch, eben das Tagebuch einer Reise zwischen den Welten.
Der Überlieferung nach ist André nämlich schon mit einem Pinsel in der Hand und einem Rucksack auf dem Rücken zur Welt gekommen. Drauf ist er in ein naturverbundenes, farbbegeistertes Elternhaus hineingewachsen und hat dabei immer Bilder um sich und den Kontakt zur Erde unter sich gehabt. Erstem Zeichenunterricht bei G. Rost folgte recht schnell die künstlerische Ausbildung bei Dieter Beirich, dem er über Jahrzehnte hinweg dankbar verbunden blieb. Er suchte künstlerischen Kontakt zu Werner Wittig und Gunter Herrmann und fand dort Freundschaft und zahlreiche wertvolle Anregungen. Seine Hinwendung zur Sandreservage etwa ist eine Frucht der Gemeinschaft mit Gunter Herrmann. Enge Freundschaft verbindet ihn mit Markus Retzlaff und Pit Müller.
Eine der unvermeidlichen Entlassungswellen in einem großen Radebeuler Industriebetrieb spülte den inzwischen zum Offsetdrucker und Druckinstrukteur Mutierten ins Freie. Zu seinem Glück fühlte er sich da schon als Künstler so weit gefestigt, daß er den Schwung der Welle hin zur Selbstständigkeit nutzten konnte. Das erlernte Handwerk an der Vierfarb-Offset-Druckmaschine war mit seiner Leidenschaft für Grafik und Malerei ohnehin weder verwandt noch verschwägert.
Dennoch war es das Grafische, das lange Jahre seine Arbeiten – auch die Aquarelle und Mischtechniken – bestimmte. Ohne den inzwischen gewonnenen eigenen Stil aufzugeben, ist André mit den Jahren malerischer geworden. Gleichzeitig erweiterte sich seine Palette: War sie bisher überwiegend von kaffeebraunen Erdtönen bestimmt, greift sie nun weiter aus. Zur Blauen Stunde hat sich die Leuchtkraft der acryl-Farben auch auf den Maler übertragen.
Es gibt eben viele Möglichkeiten zwischen den Welten.
Als André noch nicht wußte, daß er einst Maler werden würde, als er sich noch hinreißen lassen konnte von den unendlichen Möglichkeiten der Jugend, hat noch eine ganz andere Welt Besitz von ihm ergriffen: die Welt der Musik. Es gibt nur wenige junge Leute, an denen das vorübergeht. Und während er noch weiter mit Hingabe und Eifer keinen von Beirichs Malnachmittagen versäumte, ließ er sich schon von der Musik davontragen.
Er brachte sich selbst das Gitarrenspiel bei, nahm natürlich auch Stunden. So lernte er eine Universalsprache kennen, die ihm – noch mal ganz anders als die bildende Kunst – einen anderen, ganz neuen, eigenen Bezug zur Wirklichkeit, die ihm ganz neue Welten eröffnete. Die Musik hilft ihm noch heute, sich z.B. in Indien zurecht zu finden; wo Worte am Ende sind, öffnet die Musik Türen und Tore. Nicht ganz zufällig hat er sich, wie vor ihm schon George Harrison, aus Indien eine Ukulele mitgebracht. Dieses kleine, gitarrenähnliche Instrument war durch Marylin Monroe zu Weltgeltung gekommen. Und sofort war André in eine große Gemeinschaft aufgenommen, denn jeder Inder weiß noch heute, daß Marylin, daß George …
Ein bißchen hatte ich ja gehofft, die Ukulele heute hier zu hören – doch auch Klaus Beirich paßt mit seinen Gundermannliedern sehr schön zwischen die Welten. Der singende Baggerfahrer lebte schließlich auch, und nicht nur als fliegender Fisch, in vielen und ganz gegensätzlichen Welten.
Andrés meist größerformatige Arbeiten entstehen im Atelier. Hier verarbeitet er das Erlebte, vor Ort treulich in schnellen Skizzen in seinen Tagebüchern notiert, oder, wenns schnell gehen mußte, auch mal fotografiert. Der Wanderer kann nicht an jeder schönen Aussicht verharren – hätte er nur den Versuch unternommen, er wäre heute noch nicht ausm Elbtal rausgekommen.
Die Skizze bewahrt freilich nicht nur den Blick, sie konserviert die Stimmung, das Licht des besonderen Moments. Und es braucht wieder eines besonderen Tages, daraus ein Bild wachsen zu lassen: Nicht jeder Tag eignet sich für jede Erinnerung.
Und dann geschieht es:
Der Linie hingegeben oder der Fläche spült André, Gundermann im Ohr und die Geräusche von der Straße, den Pinsel in der Kaffeetasse aus: Da wird eben wieder braun laviert, aber diesmal gibt’s ein paar farbige Lichter obendrauf. Auf die Akzente kommt es an.
Es sind ja die Anlässe, die das Bild machen, die Wanderungen allein oder in Familie, die Pleinairs z.B. in Batzdorf oder im Böhmischen drüben, die er so sehr schätzt. Da geht es um das Gemeinschaftserlebnis, da wird der Kaffee wirklich auch getrunken, wie der Rotwein zur Pflege des Miteinander zwischen den Welten.
Dort nämlich, zwischen den Welten, hält sich André immer noch am liebsten auf. Und das ist gut so, denn um irgendwo angekommen zu sein, ist er wahrlich noch zu jung.
Thomas Gerlach Jan. 2020
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