Impressionen von der Vernissage

Sonntag, 19. März 2017
Einführung: Karin Heyne, Künstlerin
Musik: Adela Drechsel, Violine / Jan Heinke, Stahlcello

Rede zur Ausstellungseröffnung von Karin Heyne

Die Galerie art und form stellt in dieser Frühjahrs-Ausstellung 2017 zwei Dresdner Künstlerinnen vor, die das Grafikgeschehen Dresdens durch ihre intensive Beschäftigung mit der Technik der Radierung seit Jahren nachhaltig mitbestimmen und national und international mit Preisen und Stipendien bedacht wurden.

Trotz unterschiedlicher Auffassungen zu Technik und Gestaltungsform der metallenen Basis, treffen sich beide im Titel der Ausstellung, der die Inhalte, die Verbundenheit zur Natur umreißt. Ausschlaggebend im Fabulieren zur Themenfindung war, dass jeweils ein Elternteil der Künstlerinnen den Gärtnerberuf ausgeübt hat und damit ein gewisser Grundstock von Bezüglichkeiten in ihr Schaffen eingepflanzt wurde.

Verbindend haben beide das Art in Residence Stipendium zum Aufenthalt in der Grafikwerkstatt Zygote Press Ohio/Cleveland/USA erhalten und ebenfalls waren beide zu Studienaufenthalten in Uttersberg/Schweden
Auffällig ist auch, dass sich die Künstlerinnen auf der Einladungskarte zu dieser Ausstellung thematisch kämpferisch treffen. In Kerstin Franke-Gneußs Aquatinta/ Kaltnadel mit dem Titel „Kampf“, agieren dunkle Kaltnadelballungen vor hellen Linienarrangements im aufgewühlten Grund. Heike Wadewitzs  Kaltnadel/Ätzung trägt den Titel „Gerade jetzt“, ein weibliches Profil vor einem mit Rastermuster bedeckten Hintergrund. „Gerade jetzt“ ist ein Satz, der in eine Aktivität zwingt.

Kerstin Franke-Gneuß

Die hier gezeigten Radierungen in den Mischtechniken Kaltnadel / Zuckertinte / Aussprengungen / Aquatinta datieren zwischen 2015 und 2017. Kerstin Franke-Gneuß arbeitet mit Abstraktionen. Ihre Eigenart ist es, die Metallplatte als Medium zu nehmen. Sie liebt ihr großflächiges Metall.

Mit Körperkraft, die bis zur Selbstverletzung geht, operiert sie mit Radiernadel, Pinsel, Säure und Lack. Sie treibt Schrunden und tief eingegrabene Linien ins Zink, lotet ihre langjährigen Erfahrungen im Flächenätzen der Aquatinta in jeder Arbeit neu aus und kombiniert. 

Sie beobachtet das Säuregemisch, das die Zuckertinte der Reservage absprengt oder Abdecklack untergräbt. Zufall und Wille gehen Hand in Hand. Eine ständige Wachsamkeit im Tun, das entstehen der Dinge im Zink, führt sie zu einem glückseeligen Zustand.

Einprägsam ist das besonders samtige Schwarz ihrer, wie Peitschenschläge anmutenden, Kaltnadelfurchen.
Kerstin Franke-Gneuß Grafik lebt vom Habitus der ins Metall getriebenen Linie.

Kerstin Franke-Gneußs Radierungen ab dem Jahr 2016 weisen etwas Neues aus. Großflächige weiße Streifen und Brüche verdichten sich im Bild. Bei ihrem Künstleraustausch mit der Kunstfakultät der Aristoteles Universität Tessalonoki 2014 erhielt sie Anregungen, die eine markante Wandlung in ihrem Schaffen bewirkten.

Im Umfeld antiker Relikte und architektonischer Ausgrabungsstätten und vorgefundenen ungewohnten Arbeitsbedingungen suchte sie nach Möglichkeiten, ihre Eindrücke umzusetzen. Sie experimentiert mit Klebeband und erzeugte durch partielle Abklebungen auf der blanken Platte fast weiße und helle Strukturgebilde. Es entstandenen zumeist  großformatige Radierungen in Aquatinta-Technik, die durch ihre ungewohnte Wucht begeistern.

In „Eisbruch“ fächern sich Querschichtungen in die Perspektive auf. Die Arbeit von 2016 ist hier an der Gemeinschaftswand zu sehen. Zur Linken „Geschnitten“und „Trift“ als zusammengehörende Drucke 2017 entstanden. Daneben finden wir die Aquatinta „Glieder“, ein organisch anmutendes Konstrukt, in gemalt und geschnitten abgedeckten Schichtenätzungen.  Rückseitig im Fenster befindet sich die Aquatinta „Schlucht“ von 2016. Zur rechten der Gemeinschaftswand hängen „Exotische Pflanzen“ und „Gasse“.

Spielerisch und durch die Mischtechnik (Reservage / Kaltnadel, Aquatinta / Kaltnadel) bewegter muten die kleinen Blätter „Kampf“ und „Morgentau“ über dem Tresen an.

Eine Besonderheit stellt das großformatige Blatt „Gärtners Hand“dar, welches an der rückseitigen Stahlwand hängt. Scheinbar in psychedelischer Entrückung drängt etwas Unterbewusstes nach außen, was der Betrachter schwer deuten kann.
Die Grafik ist eine Reminiszenz an Kerstin Franke-Gneuß Vater, also ein Einlass in eine sehr persönliche Welt der Künstlerin. Ihr Vater, ein kreativer Macher, der z.B. Weidenkörbe geflochten hat, regte in ihr die Leidenschaft der Naturbeobachtung und das Interesse an der Veränderbarkeit und den Formen des Wachstums.

Kerstin Franke-Gneußs fortdauernde Lebendigkeit in ihrem künstlerischen Arbeitsprozess führt zu neuen, überraschenden Ergebnissen. Beachtlich ist die Größe vieler ihrer Radierungen, die im Nachgang mit Begriffen aus dem Sprachrepertoire der Naturbeobachtung wie „Eisbruch“, „Morgentau“, „Gewächs“ tituliert werden.

Kerstin Franke-Gneuß ist in Meißen geboren. Sie studierte von 1978 bis 1984 Grafik und Malerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden und begann im Anschluss ihre freiberufliche künstlerische Tätigkeit. Neben ihrem malerischen und vor allem grafischen Schaffen übertrug Kerstin Franke-Gneuß ihre linearen Arrangements in plastische Installationen, die u.a. in Dresden, bisher auf dem Gustav-Adolf-Platz, in diesem Jahr nach Altstrehlen umgesetzt, im Gelände der Stadtentwässerung Dresden Kaditz, vor dem Kunstkaufhaus TIETZ in Chemnitz öffentlich zugänglich sind.

2016 erhielt Kerstin Franke-Gneuß den Felix Hollenbach-Preis für Radierung als Medium in der Gegenwartskunst.

Heike Wadewitz

Heike Wadewitz wurde in Dresden geboren. Sie studiert nach Ausbildungen zur Buchhändlerin, Erzieherin, Rehabilitationspädagogin ebenfalls an der HfBK Dresden Malerei und Grafik von 1993 bis 1998. Sie erhielt während des Studiums das Erasmus-Stipendium an der Kunsthochschule Stockholm und im Studienanschluss das DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) Jahresstipendium ebenda. Nach einem Stipendium für das Künstlerhaus Ricklundgarden, Saxnas, Lappland war sie von 1999 bis 2001 Meisterschülerin bei Professorin Elke Hopfe an der HfBk Dresden. Seit 2001 übt Heike Wadewitz neben ihrer freiberuflichen künstlerischen Tätigkeit künstlerische Lehrtätigkeiten an der AIK, später Semperschulen Dresden aus. Außerdem ist sie Mitarbeiterin im Verein Dresdner Grafikmarkt.

Heike Wadewitz pflegt eine andere Herangehensweise an die Technik des Radierens. Ihr Medium, dass zur Druckgrafik führt, ist die Zeichnung. Sie ist eine gute Beobachterin  und Gesehenes oder Erlebtes verdichten sich im Erinnerungsspeicher, um im gegebenen Moment im Bild Verwendung zu finden. Lebensnah porträtartig fasziniert das Kinderköpfchen „Clara“ auf der Gemeinschaftswand mit Kerstin Franke-Gneuß. Heike Wadewitz arbeitet auf kleineren intimeren Formaten. Ihr Stil ist erzählerisch. Die Künstlerin fabuliert oder verarbeitet bedrückende Momente um zu neuer Wahrheit zu kommen. Ihre Grafiken sind Kopf und Bauchgeburten. Psychologisches fließt in die Vielschichtigkeit der Erzählebenen auf den Blättern ein. „Warteraum“ ist die einzige Aquatinta von Heike Wadewitz in der Ausstellung.

In ihr wird durch die Anlegung von hellen und noch helleren geometrischen Flächen des menschenleeren Raumes und des Mobilars eine verunsichernde Stimmung erzeugt.

Heike Wadewitz ist eine detailreiche Geschichtenerzählerin, die in der lockeren Anordnung der Dinge die Traumdeutung offen lässt. Figuren bevölkern die Spielfläche. Erlebnisse mit tierischen und menschlichen Wesen als Seelenverwandte liegen zugrunde. Das Haustier Katze, freilebend Fisch und Vogel  und Mensch stehen sich ebenbürtig gegenüber. Auch Hasen nehmen Persönlichkeitsbilder an. Sie symbolisieren ein stoisches Bild für ausgleichend, feinfühlig, kultiviert, klug, gelassen, mit der Sehnsucht, ein friedliches Leben zu genießen.
Eine Begegnung Hase / Vogel ist auf der Vorzugsgrafik festgehalten.

Bei allem Ernst, den der Betrachter aus den Blättern herauslesen kann, überrascht uns Heike Wadewitz mit hintergründigem Witz, der Lebensfreude erzeugt. Der Fisch reitet Rücken an Rücken in annähernd kongruenter Form auf dem Vogel („Kreuzung“).

In „Urlaub“ sitzt ein dickes Katzentier mit dem Rücken zum Betrachter auf einem Partytisch, eng daneben eine Frau, mit übereinander geschlagenen Beinen und einem orientalisch gemusterten Tuch auf dem Kopf, zwischen beiden ein Glas in der Hand, aus dem ein Vöglein ungezwungen trinkt.
 
Ungezwungen, oft schwebend bewegen sich die Dinge auf der Fläche. Ihr Gestaltungsgesetz folgt ihrem grafischen Gefühl in spannungsvoller Korrespondenz von figürlichen Konzentrationen zu nebulösen Grauflächen mit unterdrückten Zeichnungen.
Heike Wadewitz bearbeitet ihre Radierplatten immer wieder neu. Oft überarbeitet sie in kleiner Auflage gedruckte Kupferplatten, dreht das Metall, schabt Ehemaliges weg und bezieht zurückbleibende Spuren und Plattentöne in ein neues thematisches Feld ein. In den Grautönen des Verschwimmens tauchen neue Bezüglichkeiten auf. Die kleine Landschaft mit Teich und Baum wird zum Kinderporträt „Dreieinhalb“.
Persönlicher und emotionaler klingen die Titel. 

Etwas Besonderes im Schaffen von Heike Wadewitz ist die Beziehung zur Landschaft, zur ursprünglichen Natur. Zur Linken hängen die Radierungen „Am Strand“, „Lofoten“, „Sommer“…
Durch ihre Studienaufenthalte vor allem im Nordischen, in Schweden und Lappland ist der Tonus der Grafiken gezeichnet. Ihre Sehnsucht nach Schweden war schon in Kindheitstagen vom Nachschauen der Schwedenfähre geprägt.  An der Kunsthochschule Stockholm erhielt sie in ihrer Studienzeit  Zuspruch zu ihrem künstlerischen Tun. Dies war der Auslöser, eingefahrene Gleise zu verlassen.

Sie selbst sagt: ich wurde reich beschenkt. Besonders wertvoll ist ihr die Heranführung an die Kaltnadelradierung, die seitdem ihr Schaffen als Ausdrucksträger bestimmt.
Neben Licht und Meer ist es nach ihren Worten die holpernde und stolpernde schwedische Sprache, die ihr ans Herz gewachsen ist. 

2001 und 2016 hielt sich die Künstlerin zu Studienzwecken in dem kleinen Ort Uttersberg mit abgewanderter Industrie und dem Fluss Hedströmmen in Schweden auf.

Es lässt sich viel entdecken, was selbst Erlebtes im Betrachter aktiviert und zur Zwiesprache herausfordert.
Beide Künstlerinnen bereichern die Ausstellung mit jeweils einer käuflich zu erwerbenden Vorzugsgrafik in limitierter Auflage:
Kerstin Franke Gneuß „Wiesenrain“, 2017, Reservage/ Kaltnadel, Plattengröße 19,5 x 29,5 cm
Heike Wadewitz „überrascht“, 2017, Kaltnadel, Plattengröße 14,5 x 23,6 cm

Man kann in der Kunst die Mittel ausloten, frei von persönlichen Befindlichkeiten, Klarheit und Größe entwickeln.
In der Jetzt-Zeit, in der durch Stress und Breitelabrigkeit Werte abgeschliffen werden, möchte man sich zusammenziehen, die Kreatur zum klingen bringen und Menschlichkeit aktivieren.
Beide Auffassungen/ Herangehensweisen stehen gleichberechtigt nebeneinander und erweitern hier und heute unser sinnliches Spektrum.

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