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Bautzner Straße 11
01099 Dresden
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Montag bis Freitag 10-19 Uhr
Samstag 10-18 Uhr
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täglich 24h für Sie geöffnet
Sonntag, 22. Juli 2012, 17 Uhr | |
Einführung | Undine Materni, Schriftstellerin (Dresden) |
Musik | Hannes Lingens, Akkordeon (Berlin) |
Sehr geehrte Damen und Herren, werte Gäste dieser feinen Galerie, lieber Herta und lieber Attila,
unterwegs zu sein und darüber Auskunft zu geben, so verblüffend einfach kann man es formulieren, was Kunst macht und kann und will und darf und tut, in eben jenen hilflosen Hilfsverben, auf die man verzichten sollte, wenn man künstlerische Arbeiten betrachtet, die dann hoffentlich ohne diese hinkende Hilfen auskommen, sondern stark genug sind, um für sich selbst zu sprechen.
„Unterwegs“ ist diese Ausstellung überschrieben, in der zwei Künstler unterschiedlichen Alters Auskunft geben über ihre Art der Ruhelosigkeit, des Nicht-zu-Hause-Seins, zwei Künstler, die ihre Fundstücke präsentieren, Momente von Zeit, die sie eingefangen haben in einem Bild, einer Skizze, einem erstaunlichen Augenblick, der den Sinn dieses Wortes ganz ausfüllt. Meine Aufgabe ist es nicht, Ihnen zu erklären, was Sie zu sehen bekommen, auch nicht, wie Sie am besten den Kopf vor einem der Rahmen neigen, um etwas zu sehen, was Ihnen sonst vielleicht verborgen bliebe.
Meine Aufgabe ist es, den Moment der Feierlichkeit zu verlängern und auszukosten, mit der eine Ausstellung eröffnet wird und das ist mir ein großes Vergnügen.
Schon als ich vor 29 Jahren nach Dresden kam, war mir die Künstlerin Herta Günther ein Begriff. Damals gab es diese kleinen verheißungsvollen Heftchen vom Verlag der Kunst; eines davon war mit Arbeiten von Herta Günther erschienen, zu denen der Kunsthistoriker Wolfgang Hütt auf der Rückseite vermerkt hatte: Ihre Kunst führt uns zur Poesie des eigenen Daseins zurück, lässt sie als etwas erkennen, das wir, so lange wir lebenswert leben, niemals verlieren können, von dem wir oft nur verleidet sind zu glauben, wir hätten es unwiederbringlich verloren. Die Poesie des eigenen Daseins – immer und immer wieder scheint sie in den Arbeiten von Herta Günther auf, in Ocker und Rot, in schattigem Grün und dieser unglaublich weißen Haut um die rot geschminkten Münder der Damen, die in Kneipen und Cafés unerschütterlich auf etwas zu warten scheinen. Wie Herta Günther ihnen Getränke und Kopfbedeckungen zugesellt, um ihre Einsamkeit zu mildern … Das ist eine wunderbare Form von Trost, finde ich, eine Form von Trost, die beiläufig daher kommt, freundlich und auf eine unzeitgemäße Weise bescheiden. Im Katalog, der 2009 anlässlich der Ausstellung im Freitaler Schloss Burgk entstand, ist zu lesen: Herta Günther hat sie alle gesehen, hat sie festgehalten. Doch nirgends ein Vorwurf oder der belehrende Zeigefinger. Sie sind eben da, der solargebräunte Jung-Dynamische. das Schlitzohr […], die jungfräulich Geile, die dem ersten Mal entgegenfiebert und die alte Verbrauchte, die nur noch in der Erinnerung lebt und ihre Sehnsucht in Eckkneipen betäubt …[1]
Es ist dieses genaue Hinsehen beim Unterwegssein, was die Arbeiten von Herta Günther so leben lässt, nicht nur mit den Augen hinzusehen, sondern dem ganzen Wesen, der Lebenserfahrung und dem, was man Mitgefühl nennt, wenn es so gemeint ist und es ist hier so gemeint und deshalb darf dieses Wort an dieser Stelle ruhig wohnen bleiben. Die Poesie des eigenen Daseins – der Dichter Georg Maurer hatte es in Bezug auf die Lyrik so formuliert, dass es nicht darum gehen sollte, Gefühle über Dinge zu sagen, sondern die Dinge so zu sagen, das man sie fühlen kann. Ich bin sicher, dass das auch für die Malerei gilt und ganz besonders bei Herta Günther.
Gewiss ist es immer seine Sache des eigenen Standpunktes, der Vorlieben sowieso und es ist gut, dass man diese Freiheit haben darf, einen Künstler vom Herzen her zu mögen oder aber ihn mit dem Kopf zu bewundern. Um einen Übergang von Herta Günther zu ihrem Sohn Attila zu schaffen, möchte ich gern aus einem Gedicht der wunderbaren Autorin Anne Dorn zitieren, die kürzlich, im Alter von 86 Jahren!, ihren ersten Gedichtband „Wetterleuchten“ in Dresden präsentierte – gemeinsam mit einem 30-jährigen Dichter, der ebenfalls debütierte. Ich möchte auch deshalb daraus zitieren, weil dieses Gedicht Herta Günters Arbeiten sehr nahe ist:
[…] Was ich überbringe aus dem harten Kern Eurer Dinge,
ist, wie der Nomadenteppich, von einfachem Muster.
Ich höre Euch rufen: Wir kaufen nichts,
wir sind satt!
und überbringe Euch trotzdem, heute, ungefragt,
eine Sehnsucht, die dahin zielt,
daß alle Menschen einander im Sinn haben,
daß sie mit ihrem Leben
eine eindeutige Sprache sprechen
und die weisen Sprüche
abfallen, wie taube Blüten.
Ich erinnere Euch an Eure große Lust,
zu leben.
Unter die Tür schiebe ich Euch ein Flugblatt
von Eurer endlosen, mühseligen,
wieder und wieder vertagten
Wandelbarkeit und Verwandlung.[2]
Wandelbarkeit und Verwandlung – der Gedichtband des jungen Dichters, den ich zuvor erwähnte, trägt den Titel: Geometrie und Fertigteile. In einem seiner Texte schreibt der Autor: Bearbeitet können Wörter ein Bonbon sein: ein wohlwollend schmeckendes Täuschungsmanöver.[3]
Erinnern wir uns: Zwei Künstler geben Auskunft über ihre Art des Unterwegsseins.
Und natürlich war – wenigstens zeitlich gesehen – Attila Günther bisher weniger unterwegs als seine Mutter Herta. Und es ist gut zu bemerken, dass beide künstlerisch gesehen keinerlei Ähnlichkeiten aufweisen, alles anders wäre, na, sagen wir mal – verdächtig.
Vor einigen Jahren habe ich schon einmal eine Ausstellung von Attila Günther eröffnet. Einige Blätter davon sind auch hier wieder zusehen, jene expressiven abstrakten Arbeiten, deren Strukturen sich zu bewegen scheinen, sich lösen oder neu fügen, wobei seltsame Figuren sichtbar werden. Die Farbwahl wirkt dabei teilweise aggressiv und fast beängstigend in ihrer Konsequenz. Kaum gibt es Übergänge, die reinen Farben bilden scharfe Kontraste und reine Gegensätze. Zuweilen stellt sich die Frage, ob die in der Struktur zu Tage tretenden Formen von der Farbe entweder freigelegt oder verdeckt werden. Sie wirken expressiv, als folgten Stift oder Pinsel dem harten schnellen Rhythmus eines Schlagzeuges. Das ist sicher auch eine Art des Unterwegsseins, eben nicht Hinsehen ins Übermaß der Dinge, sich raus katapultieren aus dem alltäglichen Wahnsinn, den Kopf freihämmern und dann darauf hören, was man sich selber zu sagen hat. Zuweilen entstanden hier auch reduzierte Symbole, die an asiatische Schriftzeichen erinnern – eine verführerische Gratwanderung, um sich selbst wieder zu verorten, in einer geschmeidigen Form auf einem unverrückbarem Grund – möglicherweise als ein wohlwollend schmeckendes Täuschungsmanöver.
Doch zu jenen expressiven Bildern haben sich bei Attila Günther inzwischen auch Momente der Disziplin und Ordnung gesellt, die eine Technik wie der Linolschnitt und der nachfolgende Druck zwangsläufig verlangen: Schwarz und Weiß, Linien und dazwischen aufgespannte Flächen – ein bewusstes Beschränken auf das Wesentliche in Stadtlandschaften, Porträts oder freundlichen Dekors. So ist also Attila Günther unterwegs, auf der Suche nach Handschrift, mit der es ihm gelingt, die Wirklichkeit unverwechselbar zu beschriften.
Und ich frage mich, schreibt Woody Allen, ob Erinnerung etwas ist, das man hat, oder etwas, das man verloren hat.[4]
Mit dieser Frage möchte ich Sie auf Entdeckungsreise in dieser Ausstellung schicken. Finden Sie das Gemeinsame, das Unterschiedliche, das Wunderbare, das Erhellende und das Irritierende.
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