Impressionen von der Vernissage
Sonntag, 13. März 2016, 17.00 Uhr | |
Einführung: | Bistra Klunker, Journalistin |
Musik: | Thomas Friedlaender, Neverlur /Alphorn /Kuhhorn |
Die Rede von Bistra Klunker
Sehr geehrte Damen und Herren!
Eine Heldenreise, wie wir sie aus den Mythen der alten Griechen kennen, so eine Heldenreise wie die des weisen Odysseus, enthielt alle Merkmale eines spannenden Abenteuers, an dessen Ende der Held auch noch mit Lorbeeren bekränzt, also mit Anerkennung belohnt wurde. Odysseus kriegte bekanntlich seine treue Penelope wieder, musste allerdings auf den Weg dorthin die konkurrierenden Freier in edler Absicht niedermetzeln und in den Jahren davor wortwörtlich viele Klippen umschiffen.
Eine Heldenreise führt den Helden aus seinem tristen Alltag hinaus in die Welt, weil er einem Ruf folgt oder dazu überredet wird, er wird vor Bewährungsproben gestellt, er meistert sie (er ist ja ein Held), besiegt den Feind, hebt den Schatz in welcher Form auch immer, bringt ihn nach Hause und erlebt einen triumphalen Empfang, meistens jedenfalls. Dieses Heldenreisen-Prinzip wurde später zum Modell für Analysen von Roman-Sujets, Drehbüchern und sogar zu therapeutischen Zwecken weiterentwickelt. Man kann schlicht und einfach mithilfe der Heldenreise kreativ in verfahrenen Situationen nach Lösungen suchen.
Also eins möchte ich klar stellen, falls jemandem doch als Beispiel aus der Gegenwart die Reisen von Horst Seehofer nach Russland und Ungarn einfallen. Nein, sehr geehrte Damen und Herren, das waren keine Heldenreisen, das fällt unter dem Ressort „Vergeuden von Steuergeldern aufgrund notorisch-eitler Selbstüberschätzung“ mit dem kontraproduktiven Ergebnis, dass sich der Feind kaputt lacht statt besiegt zu Boden zu fallen. Aus so was hätten die alten Griechen nie Jahrhunderte überdauernde Mythen bauen können.
Keine Bange, sehr geehrte Besucher der Vernissage zur Ausstellung von Holger Koch mit dem Titel „Unter freiem Himmel“. Es ist der 13. März 2016, 17f:15 Uhr und Sie haben sich nicht in der Tür geirrt.
Nun zurück zur Heldenreise. Die echte Heldenreise passiert einem einfach und nur die Götter wissen, wann, wo und warum.
Vor ein paar Wochen erlebte ich einen Tag, der schon früh so himmellos grau, garstig kalt und windig war, dass ich volles Verständnis für die alten Römer hatte, die damals offensichtlich wegen diesem Wetter und nicht wegen der Niederlage bei der Varus-Schlacht auf die Eroberung Germaniens verzichtet haben. An so einem Tag können nur Wunder oder Katastrophen geschehen – bei mir war es das zweite - mit voller Wucht.
Wenn Sie in einem Zeitraum von nur wenigen Stunden ihr Bad unter Wasser sehen, weil die verdammte Waschmaschine ohne Vorwarnung den Geist aufgibt; wenn Sie dadurch einen wichtigen nicht nachholbaren Termin verpassen, der Sie vielleicht reich und berühmt gemacht hätte; wenn dann die einzige Post des Tages ausgerechnet vom Finanzamt ist, mit bösen Zahlen, die Ihr Konto so erleichtern, das es so gut wie gar kein Gewicht mehr hat! Wenn Ihnen das alles passieren würde, dann ginge es Ihnen auch nicht gut!
Ich kam mir vor wie inmitten eines Verschwörungsszenarios und alle Fans von Verschwörungs-Thriller wissen, dass dann nach Sichtbarwerden des Schlamassels ein Held mit der ihn begleitenden engagierten Journalistin, Geologin oder Meteorologin unverzüglich zur Stelle ist. Ich blickte mich um, mein an grippalem Infekt leidender Mann sah gerade mal nicht wie ein Held aus und die engagierte Journalistin, Päpstin, Astronautin oder sonstige Tussi kann mir sowieso gestohlen bleiben.
Am Nachmittag dieses unsäglichen Tages brachte ich ausländischen Studenten bei, wie man mit Funktionsverbgefüge und partizipialen Attributen in der deutschen Sprache am sichersten zu verfahren hat – glauben Sie mir, Sie wollen nicht wissen, was das ist. Da auf meiner und auf der Seite der Studenten aus verschiedenen Gründen Verzweiflung in der Luft lag, redeten wir in der Pause über normale Dinge, zum Beispiel darüber, wie der Hahn kräht. Kikeriki, sagte ich. Nein, kukareku, sagte die Russin. Aber nicht doch, cookadeddledoo, meinte der Brite. Coccorìco, widersprach der Franzose. Die Japanerin schüttelte den Kopf und krähte so: Kokkekokoo und der Südkoreaner so: kukkiuu. Wie vielfältig ein schnöder Hahn sein kann, dachte ich.
Ohne diese vielschichtige Erkenntnis hätte ich jedoch dann draußen dieses besondere Licht nicht bemerkt, ich hätte mich von ihm nicht angezogen gefühlt, hätte diese kleine Heldenreise „Unter freiem Himmel“ nicht gemacht und hätte nie gewusst, wie sensationell cremig und frisch eine Freiberger Eierschecke schmeckt – sie kann übrigens süchtig machen und zu Heldentaten beflügeln, ist aber noch auf keiner Dopingliste vermerkt. Hätte also der Hahn nicht gekräht, hätte er die Henne nicht und ich die Bilder-Welt von Holger Koch verpasst, vermutlich.
Wundersame Dinge sah ich auf dieser Reise. Zunächst jedoch hörte ich etwas, sensibilisiert durch den Kräh-Austausch mit den Studenten und motiviert durch das Märchen „Die Geschichte von Kalif Storch“ von Wilhelm Hauff, in dem ein Kalif in einen Storch verzaubert wird und so die Tiere belauschen kann. Das hilft ihm auch, sich zurückzuzaubern. Ich hörte … hier ein kurzer Ausschnitt: „Wau, oh, tschip tschip tschip, bau bau baaau, hau, hauhau hau, cui cui, wau, chun chun, wan, wau, wan, baau, tschick tschick tschick tschick, hau hau, tschio, tschio, wan, wau, ahh!“
Es war ein philosophisches Quartett, an dem zwei Hunde und zwei Vögel teilnahmen. Kurz zusammengefasst ging es im Disput darum, warum das Wort „Vogel“ in der deutschen Umgangssprache – ob als Nomen oder Verb – so eine destruktiv beleidigende Anwendung findet, während für Hunde Treue und lebensrettende Spurensuche reserviert sei. Das Mindern von Werten hier und das Erschaffen anderer dort, nach welchen Kriterien, unter welchen Gesichtspunkten - so der konzeptionelle Hintergrund des Disputs. Im Gespräch wurde aus verschiedenen internationalen Quellen zitiert, so zum Beispiel aus dem Französischen, Japanischen und dem Baskischen.
Ich ging weiter, die Zeit war knapp, zum Abendessen musste ich zurück im Ehehafen sein, und bei meiner kaputten Waschmaschine. Es gab wie gesagt Wundersames zu sehen. Beim „Teufel im Blumentopf“ bin ich mir nicht sicher, ob ich richtig liege, aber ich denke, es war so: Der Teufel wollte auch mal zu seinem Geburtstag einladen, hat die Einladung dummerweise auf facebook gepostet, die Leute haben ihm die Bude eingerannt und er ist als Blumengedeck quasi untergetaucht.
Dann bin ich einfach durch diese Aquarell-Stadt-Bilder geschlendert und mit jedem Schritt kam immer mehr so ein Urlaubsgefühl hoch, eine leichte Mischung aus den so warm kontrastreichen Herbstfarben der Toskana und dem rauen Charme der Ostsee inklusive Salzwassertropfen auf den Lippen.
Auf die Hinweisschilder in diesen Landschaften würde ich mich an Ihrer Stelle nicht verlassen, falls Sie auch mal die Reise antreten, es sind Fetzen wie Hot..., SUPE,...Zirk.... Hier und da liest man auf einer Mütze oder einem Zettel „Koch“, sollte aber daraus nicht auf eine Berufsbezeichnung schließen. Das ist nämlich auch Kunst, Koch-Kunst im wahrsten Sinne des Wortes.
Folgen Sie besser den Vögeln – sie treten einzeln, in Paaren und in Gruppen auf, lesen Karten, beten ihr Vater unser, sind naseweis, Geschwister, früher Vogel, haben so ihre erleuchtenden LichtBlicke und wissen: auch wenn man nur die Füße oben auf der Leiter sieht: Alles Gute kommt von oben – ääätsche, es ist wieder nicht der Horst Seehofer...
Zugegeben, ich habe auf dieser Heldenreise keine ernst zu nehmenden Feinde eliminiert oder einen rasenden Zyklopen zur Strecke gebracht, auch der Schwierigkeitsgrad der Prüfungen, die ich zu bestehen hatte, war unter dem Niveau der Funktionsverbgefüge, und am Ende der Reise erwartete mich keine vor Glück taumelnde Penelope, sondern immer noch mein Mann in geschwächter grippaler Form - und keine Spur von Anerkennung.
Der Abstecher „Unter freiem Himmel“ tat dennoch gut, so unheldenhaft abfedernd ermutigend vogelhaft gut. Kann ich nur empfehlen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Koch,
vielen Dank, dass Sie sich für diese kleine Heldenreise zur Verfügung gestellt haben.
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